Beschwerlich und voller Gefahren war die Reise Martin Luthers im Frühjahr 1521 von Wittenberg zum Reichstag in Worms und zurück zur Wartburg bei Eisenach.
Alles andere als das gestaltete sich die schöne Pilgerwanderung für neun Nauroder, die am frühen Samstagmorgen bei noch recht kühlen Temperaturen im komfortablen PKW die Fahrt zum Ausgangspunkt der Wanderung die Fahrt nach Guntersblum angetreten haben.
Zunächst steuerten wir, vom dortigen Friedhof kommend, die evangelische Kirche zu Guntersblum an. Die über 900 Jahre alte Kirche überraschte uns schon äußerlich durch ihre ungewöhnliche Gestaltung: Die hoch herausragenden Kirchtürme gehören zu den rheinhessischen Heidentürmen. Heimkehrende Kreuzritter hatten die Türme in Erinnerung an die Grabeskirche in Jerusalem im orientalisch-fatimidischen Stil fertigstellen lassen. So nennt man sie heute fatimidische Türme oder Sarazenentürme. Mindestens genauso überrascht waren wir Pilger nun beim Durchschreiten des Portals: Eifrige Gemeindemitglieder waren gerade dabei, das Haus Gottes blankzuputzen und es hätte nicht viel gefehlt, dann wäre unsere Gruppe ebenso hierfür eingeteilt worden. Wir hatten jedoch andere Pläne, denn es galt ja, den Spuren Martin Luthers zu folgen und unser Ziel hieß Oppenheim.
So folgten wir geradewegs den Beschilderungen des Lutherwegs, ließen eine „Sackgasse“ links liegen und gelangten – vorbei an vielen Weingütern und einem sehr alten jüdischen Friedhof – in die Natur: Auf dem gut ausgebauten Weg hinauf in die Weinreben kamen wir am Römerturm vorbei und es dauerte nicht lange bis zur ersten Rast mit atemberaubendem Blick auf die liebliche Weinberglandschaft. Pilger haben es nämlich nicht eilig, sie nutzen den Weg zum Gedankenaustausch über Gott und die Welt, zum Wahrnehmen der Natur und hin und wieder auch zum Nachdenken. Ulrike Diehl, Mitglied des Kirchenvorstands der Nauroder evangelischen Kirche und Organisatorin der Pilgerwanderung, trug an mehreren Wegpunkten passende Texte und Psalmen vor.
Unterwegs bot sich ein sehr beeindruckendes Bild, denn man blickte auf die majestätischen Türme der Katharinenkirche in der Altstadt Oppenheims und dahinter erstreckte sich die Frankfurter Skyline mit den riesigen Finanz- und Messebauwerken. Wie passend, denn der Lutherweg gilt als Symbol für den Wandel vom Mittelalter zur Neuzeit. Nach etwa 8 Kilometern erreichten wir bei mittlerweile sommerlichen Temperaturen Oppenheim, die „Stadt der Gotik und des Weines“. Am malerischen Markt vorbei gelangten wir zur Anhöhe, auf der die weltberühmte gotische Kirche thront, und konnten schon vom Kirchvorplatz die voluminösen Klänge der Kirchenorgel hören. Die Organistin hatte Virtuoses zu bieten und untermalte unser Betrachten der vielen Fensterbilder, die farbenfroh biblische Szenen darstellen. Wir warfen einen Blick in das Gebeinhaus in der Michaeliskapelle und bestaunten die gigantischen steinernen Wasserspeier.
Anschließend konnten wir an einem Tisch auf dem Markt Platz nehmen und gönnten uns einen Imbiss, so z.B. Flammkuchen, Spundekäs oder Winzerwurst. Auch wenn Luther kein Freund des übermäßigen Alkoholgenusses war, ließen wir uns ein Gläschen des hiesigen Weins einschenken. Bei Eis und Kaffee entschieden wir uns, den Rückweg nach Guntersblum nicht mit der Bahn, sondern zu Fuß zu bewältigen. So konnten wir weitere hübsche pfälzische Ortschaften und deren Gässchen kennenlernen.
Danke, lieber Martin Luther, und danke an die Organisatorin für diesen herrlichen Tag!
Petra Opitz