Reformationsandacht mit Pfr. Tschöpel

Die Glocken riefen abends um 18 Uhr die Gläubigen zur Andacht in die Kirche und erstaunlich Viele folgten dem Ruf. 

Pfr. Tschöpel begrüßte alle Besucherinnen und Besucher zur Reformationsandacht und nahm dann das Jahr 2025 zum Anlass, die sog. Bauernkriege vor 500 Jahren zum Gegenstand seiner Predigt zu machen, die seiner Auffassung nach kaum noch Beachtung finden. Der Konflikt zwischen Bauern und Landesherrn eskalierte im Jahr 1525 zu einem blutigen Aufstand: Die Bauern, meist Leibeigene der herrschenden adeligen Obrigkeit, litten ohnehin unter den hohen Abgaben des biblischen „Zehnten“, zu dem nun auch noch das Vieh zählen sollte. In Thomas Müntzer fanden sie einen Anführer, der den Widerstand theologisch begründete, denn er verstand sich als von Gott gesandter Prophet, der dafür sorgen wollte, die Ungerechtigkeit in der Welt zu beenden, um „das Reich Gottes auf Erden“ zu errichten. Er verabscheute die Selbstbedienungsmentalität der Obrigkeit zu Ungunsten der Abhängigen, war aber auch ein Bewunderer Luthers, der theologisch begründete, dass sich Christen der politischen Obrigkeit unterzuordnen haben. Die Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ beginnt Luther 1520 mit zwei widersprüchlich scheinenden Sätzen: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“ Luther ging es um die Freiheit des Glaubens, Müntzer um die Freiheit von Unterdrückung.

Martin Luther wollte es sich weder mit den Bauern (und deren Familien) noch mit seinem Landesherrn verscherzen, unter dessen Schutz der mit dem Bann belegte Reformator stand… Unter dem Druck beider Seiten, sich zu positionieren, sprach er sich für die Bestrafung der Anführer und Begnadigung der Mitläufer aus. Der Bauernaufstand endete in einer blutigen Schlacht am 15. Mai 1525. Die Adligen wollten Rache, töteten neben Tausenden Bauern auch deren Anführer Müntzer. Ein wenig christlicher Akt! Und ein düsteres Kapitel in der Geschichte der reformatorischen Kirche. Zum Ende des Bauernaufstands hatte sich für die Leibeigenen nichts verändert, zudem bestimmte die Obrigkeit, wessen Lehre im jeweiligen Fürstentum zu gelten hatte – der Glaube, katholisch oder lutherisch, wurde den Untertanen befohlen; und klar: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing…   

Die Gemeinde sang, wie jedes Jahr, das Reformationslied „Ein feste Burg ist unser Gott“, von Luther getextet und vertont, und zum Schluss, passend zum Thema, „Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten. Es ist doch ja kein andrer nicht, der für uns könnte streiten, denn du, unser Gott, alleine.“. Die Freiheit im Glauben bringt, damals wie heute, den Christen das Dilemma der Positionierung in einer Welt voller Kriege und Konflikte: Wie können wir dazu beitragen, dass das Reich Gottes auf Erden verwirklicht wird? Wie lässt sich Frieden stiften – auf Gott vertrauen und sich raushalten? Auf Gott vertrauen und sich einmischen? Es gibt keine klare Antwort, weder damals noch heute.

Nach dem Segen bedankte sich Pfr. Tschöpel bei Michael Hofmeister für das beeindruckende Orgelspiel und lud alle Anwesenden ein, auf dem Kirchvorplatz bei Kürbissuppe, Luthertrunk oder Wasser – und nicht zu vergessen die mit der Lutherrose versehenen Kekse, die herumgereicht wurden – zu verweilen und ins Gespräch zu kommen. Vom Regen verschont, fanden Suppe und Bier reißenden Absatz; es heißt zwar, viele Köche verderben den Brei, aber die Kürbissuppen der sechs Köchinnen und Köche ergaben ein einen großen Topf voller von allen als sehr schmackhaft gelobtem Suppen-Cuvée, und das, obwohl jeder sein eigenes Süppchen gekocht hat! Wäre das schön, wenn ein solches ‚Cuvée‘ auch im Nachbarschaftsraum Wiesbaden Nord-Ost, den zehn Kirchorten der zukünftigen „Segensgemeinde“, gelingen könnte… Herzlichen Dank an alle, die mitgeholfen haben, und immer wieder bereit sind, mit anzupacken!

MM/MR